Tausende Messer- und Nadelstiche oder elektrische Stromstöße: So oder ähnlich beschreiben Betroffene mit Vulvodynie die Schmerzen im Intimbereich. Woher kommen die Beschwerden?
Im Überblick:
Was ist Vulvodynie?
Bei Vulvodynie handelt es sich um eine chronische Erkrankung im Intimbereich, wobei die Schmerzen und Missempfindungen der Vulva mehr als drei Monate andauern. Betroffen ist dabei die Vulva, also Venushügel, äußere und innere Schamlippen, die Klitoris und der Scheidenvorhof. Die Schmerzstärke kann dabei stark variieren. Der Weg bis zur Diagnose ist häufig sehr lang und beinhaltet viele Arztbesuche und erfolglose Behandlungsversuche. Schätzungen zufolge sind rund acht bis zehn Prozent der Frauen von einer Vulvodynie betroffen. Die Erkrankung tritt meist im Alter zwischen 16 und 60 Jahren auf.
Dabei gibt es verschiedene Formen der Vulvodynie:
Lokalisierte und generalisierte Vulvodynie: Frauen spüren bei dieser Form der Vulvodynie nur an einer bestimmten Stelle Schmerzen. Sie wird auch als Vestibulodynie bezeichnet. Oft sind der Scheideneingang und die inneren sowie äußeren Schamlippen betroffen. Es ist aber auch möglich, dass nur die Klitoris schmerzt (Klitorodynie). Von einer generalisierten Vulvodynie ist die Rede, wenn die gesamte Vulva betroffen ist.
Spontane und provozierte Vulvodynie: Kommt es zu Schmerzen in der Vulva, ohne jegliche Berührung, sprechen Fachleute von einer spontanen Vulvodynie. Bei der provozierten Form treten die Beschwerden aufgrund von mechanischen Reizungen auf, die zum Beispiel beim Geschlechtsverkehr oder beim Tragen von Unterwäsche auftreten.
Primäre und sekundäre Vulvodynie: Die primäre Vulvodynie entsteht ohne erkennbaren Auslöser. Bei der sekundären Form können andere Erkrankungen der Grund für die Vulvodynie sein. Dazu zählen unter anderem eine Blasenentzündung, Genitalinfektionen oder Hauterkrankungen.
Vulvodynie: Symptome
Die Schmerzen bei Vulvodynie können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Zudem können sie spontan oder bei bestimmten Berührungen wie beim Fahrradfahren, Sex oder Tragen von Tampons auftreten. Die Symptome der Vulvodynie werden oft folgendermaßen beschrieben:
- stechendes Gefühl, verglichen mit Nadel- oder Messerstichen
- Schmerzen, die spontan oder durch einen Reiz einsetzen
- Juckreiz
- Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und/oder Bildung von feinen Rissen im Scheideneingang
- Schmerzen beim Sitzen oder Laufen
- häufiges Wasserlassen und unvollständige Blasenentleerung
- Brennen beim Wasserlassen
- gereizte und geschwollene Schleimhäute im Intimbereich
Die Beschwerden verstärken sich häufig im Laufe des Nachmittags und abends. Nachts und am Morgen fallen die Symptome oft mild aus. Auch können bestimmte Faktoren die Schmerzen der Vulva verstärken. Dazu zählen unter anderem die Menstruation, Stress, Kälte oder Sport.
Ursachen der Vulvodynie nicht eindeutig
Welche Ursachen genau hinter der Vulvodynie stecken, ist bislang nicht geklärt. Die Forschung geht davon aus, dass mehrere Faktoren eine Rolle bei der Erkrankung spielen. Genetische, psychische und körperliche Komponenten sind dabei mögliche Gründe. Die Vulvodynie benötigt deshalb auch verschiedene Fachbereiche der Medizin bei der Behandlung und Diagnosestellung, darunter die Gynäkologie, die Psychiatrie sowie Dermatologie.
Folgende Ursachen kommen bei Vulvodynie infrage:
Infektionen: Eine Vulvodynie kann sich als Folge von Erkrankungen wie einer Pilzinfektion oder Feigwarzen entwickeln.
Gewebeverletzungen: Sie können unter anderem bei einer vaginalen Geburt mit Dammschnitt oder durch einen Sturz auf das Steißbein entstehen. Auch Becken- oder Beckenboden-Operationen sind denkbare Auslöser.
Entzündungsbotenstoffe: Wenn im Körper vermehrt Entzündungsbotenstoffe freigesetzt werden, ohne dass die Erreger noch vorhanden sind, können die chronischen Schmerzen der Vulva entstehen.
Beckenbodenmuskulatur: Eine zu schwache oder verkrampfte Muskulatur des Beckenbodens wird als Ursache der Vulvodynie diskutiert.
Immunsystem: Erkrankungen, bei denen das Immunsystem überschießt oder fehlgeleitet ist, können zu einer Vulvodynie führen. Dazu zählen zum Beispiel Allergien, Neurodermitis, Autoimmunerkrankungen oder eine Histaminintoleranz.
Nervenschädigung: Sind bestimmte Nerven, die den Intimbereich ansteuern, geschädigt, können Schmerzen der Vulva entstehen.
Zudem wird ein Gewebeschwund (Atrophie) der Schleimhaut oder des Bindegewebes als Ursache in Betracht gezogen.
Vulvodynie: Diagnose oft ein langer Weg
Bis eine Vulvodynie festgestellt wird, kann es sehr lange dauern. Das liegt mitunter daran, dass die Erkrankung als solche noch nicht so bekannt ist. Außerdem kommt es häufig zu Fehldiagnosen, weil das Beschwerdebild mit vielen anderen Erkrankungen im Intimbereich übereinstimmt. Frauen haben daher oft schon sehr viele erfolglose Behandlungen hinter sich.
In auf Vulvodynie spezialisierten Kliniken oder Praxen erfolgt zunächst eine spezielle Befragung der Betroffenen. Dabei soll herausgefunden werden, wo genau die Schmerzen vorkommen und wie sie sich anfühlen. Auch über die seelische Verfassung möchten die Ärzt*innen sich genauer informieren. Das Sexualleben, familiäre Erkrankungen, Medikamenteneinnahme sowie bereits vergangene Behandlungen der Schmerzen im Bereich der Vulva sind Bestandteil der Anamnese.
Ein wichtiger Teil der Diagnostik ist außerdem die gynäkologische Untersuchung. Mit einem Wattestäbchen (Q-Tip-Test) werden äußere und innere Geschlechtsorgane dabei vorsichtig abgetastet. Weitere Tests, um eine Vulvodynie festzustellen:
- Abstrich und mikrobiologische Analyse
- Ausschluss einer Pudendusneuralgie, bei der die Beschwerden einseitig auftreten
- Allergietests
- Ausschluss von Haut- und Autoimmunkrankheiten
Behandlung der Vulvodynie mit mehreren Säulen
Der Fachbegriff für die Behandlung einer Vulvodynie lautet "multimodale Therapie", da sie sich aus mehreren Bausteinen zusammensetzt. Dabei setzen spezialisierte Fachleute auf die Kombination aus
- Medikamenten,
- alternative Therapien (Beckenbodentraining, Triggerpunktmassage, Biofeedback, Akupunktur, Hypnose) sowie
- Psychotherapie.
Welche Behandlung die beste ist, wird im individuellen Fall entschieden und ist auch abhängig von der Ursache. Um den betroffenen Personen möglichst schnell und effektiv zu helfen, arbeiten häufig die verschiedenen medizinischen Fachbereiche unter anderem bestehend aus Schmerzmedizin, Gynäkologie, Psychologie, Neurologie und Dermatologie zusammen.
Vulvodynie: Was Sie selbst tun können
Mit verschiedenen Hausmitteln und Tipps können die Beschwerden der Vulvodynie eventuell verbessert werden.
- Sitzbäder, zum Beispiel mit Magnesiumsulfat
- Hygieneartikel aus Baumwolle
- Toilettenpapier ohne Parfum
- lockere Kleidung im Intimbereich
- Kühlpacks können wohltuend sein (für zirka 10 Minuten anwenden)
- viel Bewegung, die nicht zu viel Reibung im Intimbereich erzeugt, wie Schwimmen, Wandern oder Spazierengehen
- Stressabbau durch Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Yoga oder Tai Chi