Sie galt gegen Ende des 20. Jahrhunderts als fast ausgerottet: Syphilis, harter Schanker oder medizinisch Ulcus durum. Seit 2010 aber registriert das Berliner Robert Koch-Institut (RKI) einen Anstieg an Neuerkrankungen. 2015 meldete das RKI 6.834 neue Fälle. Vor allem in Großstädten kommt die auch Lustseuche (Lues venerea) genannte Krankheit häufiger vor. Die Ursache für die Neuanstiege ist vermutlich ein riskanteres Sexualverhalten – insbesondere unter Homosexuellen.
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Syphilis: Übertragungsweg Nr. 1 – Sex ohne Kondom
Doch die Dunkelziffer ist hoch: Denn oft wird eine Syphilis gar nicht erkannt. Gerade junge Ärzte wissen nicht mehr, wie das Krankheitsbild aussieht. Außerdem ist Syphilis sehr wandlungsfähig – ihre drei Stadien ziehen sich über etliche Jahre.
Bei der Syphilis handelt es sich um eine bakterielle Infektionskrankheit, die hauptsächlich durch Sex übertragen wird. Der Erreger der Geschlechtskrankheit ist das Bakterium Treponema pallidum. Unbehandelt kommt es je nach Stadium der Syphilis zu Geschwüren, Schleimhautentzündungen bis hin zu Hör- und Sehstörungen oder lebensgefährlichen Organschäden.
Ursachen: So wird Syphilis übertragen
Der harte Schanker wird überwiegend durch Geschlechtsverkehr ohne Kondom übertragen: Nach dem ungeschützten Sex mit einer infizierten Person, kommt es in etwa 30 Prozent der Fälle zu einer Ansteckung mit Syphilis. Aber nicht immer müssen zwei Personen so intim werden: Da die Erreger durch minimalste Verletzungen der Haut oder Schleimhaut in den bis dahin gesunden Organismus eindringen, reicht auch Küssen oder Schmusen.
Indirekt können die Bakterien zusätzlich über mit einem Erkrankten gemeinsam benutzte feuchte Handtücher oder Spritzbesteck bei Drogenkonsum neue Wirte finden. Ebenso ist es möglich, dass eine infizierte Mutter die Erreger auf ihr ungeborenes Kind überträgt. Zwar kann Syphilis auch durch Blut weitergegeben werden, Ansteckungen über Bluttransfusionen sind aber in Deutschland extrem selten und seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr berichtet worden.
Da das Bakterium Treponema pallidum ausschließlich beim Menschen vorkommt, können wir uns nicht durch Tiere oder öffentliche Toiletten infizieren. Außerhalb des menschlichen Körpers kann der Erreger nur kurze Zeit überleben.
Die vielen Symptome und Stadien der Syphilis
Nach der Infektion mit dem Syphilis Bakterium dauert es durchschnittlich 14 bis 24 Tage, maximal bis zu drei Monate, bis sich die ersten Symptome zeigen (Inkubationszeit). Die Erkrankung verläuft in verschiedenen Stadien, zwischen denen die Patienten teilweise jahrelang symptomfrei sind. Laut RKI bemerkt nur die Hälfte der Infizierten Beschwerden, der Rest bleibt symptomlos.
Stadium 1 – primäre Syphilis:
Zu Beginn der Erkrankung sind die Betroffenen hochinfektiös. Zwei bis vier Wochen nach der Ansteckung bildet sich ein maiskorngroßes Knötchen – ein schmerzloses Geschwür am Ort des Eindringens der Bakterien. Je nach ausgeübter Sexualpraktik ist das häufig im Mund, am Darmausgang, Penis oder Hodensack bei Mann beziehungsweise Scheide oder Schamlippen bei der Frau. Zwar verschwindet das Geschwür nach etwa vier bis sechs Wochen von alleine wieder, die Erkrankung ist aber noch immer da. Unbehandelt geht die Syphilis nach vier bis zehn Wochen in das zweite Stadium über.
Stadium 2 – sekundäre Syphilis:
Fieber, Müdigkeit, Kopf-, Gelenk-, Muskelschmerzen und Schwellungen vieler Lymphknoten leiten die nächste Phase ein. Zusätzlich kommt es zu einem masernähnlichen, nicht juckenden Hautausschlag. Dabei verwandeln sich die schwachrosa gefärbten Flecken langsam zu kupferfarbenen Papeln (Knötchen). Weitere Symptome des Stadiums zwei sind:
stellenweise starker Haarausfall im Kopfbereich
blumenkohlartige Papillome (gutartige Tumore) können im Kopfhaar- und Bartbereich auftrete
in Mund und Rachen ist die Bildung von weißlichen Belägen möglich
Auch diese Symptome klingen von alleine wieder ab: Bis zu zwei Jahre nach der Infektion sind die Betroffenen wieder beschwerdefrei.
Stadium 3 – tertiäre Syphilis:
Zwischen dem zweiten und dritten Stadium können mehrere symptomlose Jahre vergehen – obwohl sich die Bakterien noch immer im Organismus befinden. Patienten, die sich bis dahin noch nicht in Behandlung gegeben haben, können folgende Symptome bemerken:
- geschwulstartige Hautveränderungen
- Geschwülste auch an anderen Organen
- kardiovaskuläre Veränderungen
Die Folgen sind schwere Schäden am Gehirn, den Organen und der zentralen Reizleitung. Im schlimmsten Fall können Patienten in diesem Stadium bereits an der Krankheit versterben.
Neurosyphilis – quartäre Syphilis:
Sämtliche krankhafte Veränderungen am zentralen Nervensystem (ZNS) fassen Mediziner unter der Neurosyphilis zusammen. Dabei sind folgende Krankheitsbilder möglich:
Tabes dorsalis: Verfall der Hinterstränge des Rückenmarks; dadurch kommt es zu Schmerzen im Unterbauch und den Beinen, sowie zu Sinnesstörungen (Stellungs-, Bewegungs-, Vibrationssinn). Zusätzlich kann die Erkrankung auch die Knie- und Sprunggelenke deformieren.
syphilitische Meningitis: Kopfschmerz, Teillähmungen von Hirnnerven; ohne Behandlung entwickelt sich nach 15 bis 20 Jahren eine progressive Paralyse mit Demenzen, Psychosen oder neurologischen Defiziten (zum Beispiel Sprachstörungen, Epilepsie). Wird die progressive Paralyse nicht behandelt, versterben die Patienten nach vier bis fünf Jahren.
Syphilis und HIBV – ein gefährliches Duo
Eine Besonderheit der Syphilis ist, dass sie häufig gemeinsam mit HIV auftritt – die beiden Krankheiten verstärken sich dabei meist gegenseitig: Ist jemand HIV-positiv und steckt sich zusätzlich mit Syphilis an, kann die HIV-Infektionsgefahr für Sexualpartner um das Zehnfache steigen. Andererseits haben Syphiliskranke ein erhöhtes Risiko, sich mit HIV zu infizieren. Und: Beide Krankheiten zusammen verlaufen schlimmer, die Erfolgsaussichten einer Therapie sinken.
Diagnose mit Mikroskop, Bluttest oder Nervenwasser
Dem harten Schanker kommen Ärzte durch verschiedene Tests auf die Spur. Im ersten Stadium kann der Mediziner einen Abstrich vom Geschwür unter dem Mikroskop untersuchen. Da der Ulcus nach einiger Zeit wieder verschwindet, muss der Experte in den anderen Stadien auf Blutuntersuchungen (Antikörpertest) und die Lumbalpunktion (Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit) zurückgreifen.
Noch immer effektiv: Penicillin bekämpft Syphilis
Seit es Antibiotika gibt, hat die einst gefürchtete Syphilis viel von ihrem Schrecken verloren. In der Regel behandeln Ärzte die Infektion mit dem Antibiotikum Penicillin. Betroffene bekommen davon allerdings hohe Dosen, die sie über mindestens zwei Wochen einnehmen müssen. Neben den Infizierten selbst, müssen auch deren Sexualpartner mitbehandelt werden.
Im Verlauf der Therapie kann es zu Nebeneffekten, wie der sogenannten Herxheimer-Reaktion kommen. Dabei leiden die Patienten unter Schüttelfrost, Fieber und Kopfschmerzen. Ursächlich dafür ist die schnelle Zerstörung der Bakterien durch das hochwirksame Antibiotikum.
Nach einer erfolgreichen Behandlung sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen nötig, um ein mögliches Wiederkehren der Erkrankung im Keim zu ersticken: Jeweils nach einem, drei, sechs, neun und zwölf Monaten sollten sich Patienten auf Syphilis untersuchen lassen. Anschließend gibt es halbjährliche, später nur noch jährliche Kontrollen.
Safer Sex schützt vor Ansteckung
Um eine Ansteckung mit der Geschlechtskrankheit zu verhindern, raten Mediziner, beim Sex Kondome zu benutzen. Das gilt auch für Oral- oder Analverkehr. Denn dabei kann Syphilis über die Schleimhäute übertragen werden. Eine weitere Vorsichtsmaßnahme sind regelmäßige Tests auf Geschlechtskrankheiten.